Goldschätzchen, stell Dir doch einmal vor, der Krieg sei aus

Feldpost - Briefe des Soldaten Lothar Gruber
1942-1944

Eine Auswahl in Auszügen
Dritter Jahrgang
Juli 1944

289.
Ostfront, Montag, 3. Juli 44
2 Uhr 40 Min.
Mein über alles geliebtes Goldschätzchen!
Nun ist es halt schon wieder Montag früh. Es hatte gestern Abend doch nicht mehr zu einem Brief gereicht. Jetzt sitze ich hier bei schöner Nachtmusik und habe noch Telefonwache. Meine Gedanken sind aber gar nicht hier, sondern in der Fer­ne. Sie suchen Dich irgendwo in Stuttgart. Nun weiss ich ja gar nicht, wo Du zur Zeit bist. Hoffentlich an einem recht guten Plätzchen. Ich möchte Dir ja zu gerne mal einen Tag lang zusehen, was Du immer so machst. Seither konnte ich mir das alles so richtig vorstellen, aber nun geht das nicht mehr. Ich kenne ja Deine neue Umgebung in keiner Weise.
Mein herzallerliebstes Goldschätzchen, ich habe gestern noch ein kleines Päckchen an Dich weggeschickt. Darin sind 4 neue Filme. ir haben hier nirgends mehr einen Foto, und so schicke ich Dir die Filme, bevor sie hier noch kaputt ge­hen. ...

291.
Ostfront, Dienstag, 4.7.1944
Meine liebste süsse goldige Frau!
Jetzt ist es 20 Minuten vor 6 Uhr und da es gerade etwas ruhig ist, will ich Dir gleich ein paar Worte schreiben. Ach weisst Du mein Goldfrauchen, auf einem Ge­fechts-Stand ist ein ewiges Kommen u. gehen. Wenn es auch nur ein kleiner Ver­band ist, so gibt es doch immer viel Arbeit. Da kommen Befehle und Schreiben von oben, die, nachdem sie durchgearbeitet sind wieder weiter gehen, oder auch zu den Akten kommen. Jeden Tag sind allerlei Meldungen zu schreiben. Es kommen Geheimbefehle, es werden selbst eine Menge Befehle gegeben. Daneben rasseln laufend 5 Fernsprechapparate. Ja, ich habe zu allen Verbindung. Ich kann auch al­les an die Strippe bekommen, was wir hier benötigen. Es ist nur zu schade, dass ich Dich nicht erreichen kann. Wenn man dürfte, so würde es ja ohne weiteres gehen, aber das darf man leider nicht. Nun ja, so verbringe ich sehr rasch Tag um Tag. wenn man so viel u. so abwechslungsreiche Arbeit hat, dann vergeht die Zeit doch sehr rasch. Das Radio tut ja das seine noch dazu. Es läuft aber auch Tag u. Nacht mit nur kurzen Unterbrechungen. Ach mein über alles geliebtes süsses goldiges Fraule, die Musik macht ja in dieser Öde so viel aus. Es ist doch das einzige, was man ausser der Post hier hat. ...

293.
Osten, den 6.7.44
Mein liebes gutes Goldschätzle!
Ich danke Dir von ganzem Herzen für Deinen so lieben Brief vom 25.6.44. Ach mein herzallerliebstes Goldschätzchen, ich freue mich ja immer so sehr, wenn Dei­ne so liebe und gute Briefe ankommen. Nun hattest Du also einen sehr schönen Tag zu Hause verbracht. Wie schön wäre es doch erst gewesen, wenn ich hätte auch mit dabei sein können. Ja, und dann endlich Frieden! Mein liebstes Gold­schätzchen, wenn es zur Zeit für euch auch etwas trübe aussieht, so geht es nun doch ziemlich rasch dem siegreichen Ende entgegen. Wir müssen u. werden sie­gen, mag es kommen wie es wolle. Aber dann wird erst die schönste Zeit für uns kommen. Ein herrliches, glückliches u. friedliches Leben. Ich freue mich ja schon so sehr auf diese Zeit und in der Gewissheit, dass sie recht bald kommen wird, er­fülle ich mit Freuden meine Pflicht. Es ist ja doch so, dass wir es recht gerne tun, da es ja nicht nur für Deutschland, sondern doch vor allem auch für Euch und unser zukünftiges Leben. Aber wir wollen uns darüber keine grossen Gedanken machen, so wie unser Leben und unser Schicksal von Gott bestimmt ist, so kommt es auch. Und auf ihn wollen immer in gläubigem Vertrauen hoffen.
Mein liebstes Goldschätzchen, ich habe nun heute meinen ganzen Kram als Kompanietrupp-Führer übergeben u. habe nun als Dank meiner Mühe u. Arbeit um die Kompanie einen guten Posten erhalten. Ich bin nun z.b.V., das heisst zur besonderen Verwendung. Ich habe nun für nichts mehr eine Verantwortung, führe zur Zeit niemand, sondern mache so Kleinigkeiten. Hoffentlich geht das recht lan­ge, dann kann ich mich mal wieder richtig ausruhen. Will mal sehen, was ich nun morgen so mache. Heute ist es schon etwas spät und ich bin ganz schön müde. Ich werde Dir dann morgen mehr berichten u. auch Deinen liebsten Brief voll beant­worten.
Für heute nun recht viele tausend liebste Grüsse u. innigste Küsse
von Deinem treuen
Gatten

295.
Im Osten, Samstag den 8 Juli 1944
...
Mein goldiges liebes süsses Fraule, zum Rauchen habe ich immer genug. Hebe mal ruhig die Zigaretten auf bis ich wieder komme. Ja gelt, beim Schwarz wird man gut bedient! Nun das mit dem einleben ging ja ganz gut, aber deshalb bin ich doch nur noch halb hier. Meine Gedanken sind ja fast nur bei Dir. So ab und zu müssen sie ja auch hier sein, aber das ist sehr wenig. Im übrigen liegt hier etwas in der Luft, was mit viel marschieren verbunden ist. Wir werden wohl bald von hier weg kom­men. Heute war ich viel unterwegs. Hab Anfahrtswege erkundet und um 22 Uhr ging ich dann mit einer Gruppe in Stellung. Nun bin ich mal gespannt, was uns die nächsten Tage bringen. Es werden wohl einige harte Tage kommen, denn wenn wir marschieren, dann rinnt viel Schweiss bei dieser grossen Hitze. Aber das ist nicht so schlimm. Du weisst ja, dass ich ziemlich viel Hitze vertragen kann. Na Du mein süsser Goldschatz, ich werde Dir gleich helfen, von wegen nach dem Osten mel­den. Sei mal froh, wenn Du dies elende Land nicht kennenlernen musst! ...

296.
Ostfront, Sonntag den 9. Juli 1944
Mein herzallerliebstes Goldschätzchen!
Heute ist nun mal wieder Sonntag. Es wird wohl für einige Zeit der letzte sein, den wir so schön ruhig verbringen. Draussen scheint wieder wunderschön die Son­ne. Es könnte ruhig etwas kälter sein, denn dann marschiert es sich viel besser. So wird wieder mancher Tropfen Schweiss rinnen.
Mein über alles geliebtes Goldschätzchen, nun hat ja unser Marsch schon be­gonnen. Unsere Tross-Fahrzeuge sind heute früh abgerückt und es wird sich nur noch um ein paar Stunden handeln, dann werden auch wir wieder marschieren. Wir warten hier nur noch auf den Befehl dazu. Wohin, das weiss ich noch nicht, aber das werden wir bald sehen. Nun wird es ja leider nicht mehr möglich sein, dass ich Dir jeden Tag schreibe. Wenn man unterwegs ist, so fehlt einem meistens die Zeit und Gelegenheit dazu und dann ist man auch oft so müde, dass man keine Lust mehr hat.
Meine über alles geliebte süsse gute goldige Frau, ich werde ja mein möglichstes tun und Dir von unterwegs so oft wie nur möglich schreiben. Ich habe ja noch kei­ne Ahnung wie lange das dauert und wohin wir kommen. Das beste u. schönste wäre es ja, wenn wir zur Eisenbahn marschieren würden, dann schnell verladen und ab Richtung Deutschland. Nach Möglichkeit dann noch in Deine Nähe und wenn es nur wenigsten ein paar Tage wären. Ich habe ja so eine riesengrosse Sehn­sucht nach Dir und möchte nur einmal wieder Deinen lieben süssen entzückenden Mund küssen. Ach weisst Du mein Goldschatz, so einen himmlischen herzhaften langen Kuss, dessen süssen und lieblichen Geschmack noch nach ein paar Tagen spürt. Es ist ja doch jammerschade für jede einzelne versäumte Minute, oder meinst Du nicht auch?
Ja meine innigst und ewig treu geliebte Gattin, nun heisst es also Geduld ha­ben und nicht mit dem Schicksal hadern, sondern fest auf Gottes grosse Güte, Gna­de und Barmherzigkeit vertrauen. Ihm wollen wir in unseren Gebeten immer wie­der unsere Seele und unser Herz anbieten, und unser Leben ganz in seine göttli­chen Hände legen. So wie er unser Leben gestaltet, so wird es immer richtig sein. Ich werde auch Dich meine herzallerliebste Frau nie in meinen Gebeten vergessen. Ich habe auch die feste Überzeugung, dass sie Gott erhört und dass er uns immer treu zur Seite stehen wird.
Meine innigst und über alles geliebte H..., wie geht es wohl Dir, was wirst Du jetzt gerade machen? Sicher treffen sich unsere Gedanken da draussen irgendwo und unterhalten sich da. Ich wäre ja um so unendlich vieles lieber bei Dir zu Hause und wurde mich am allerliebsten mit Dir persönlich unterhalten. Nun geht das aber leider nicht und so muss ich es mit Hilfe von Feder und Papier machen. Ich mache es ja so unendlich gerne. Es macht mir so viel Freude und wenn ich an mei­ne allerliebste Frau schreibe, so ist das immer die schönste Zeit des Tages. Von die­ser Zeit müsste nur noch ein klein bisschen mehr zur Verfügung stehen, denn ich könnte mich ja den ganzen Tag mit Dir unterhalten.
Meine über alles geliebte H..., nun habe ich mal eine Frage an Dich. Ich bin heute 32 Tage von Dir weg und habe in der ganzen Zeit von meinen Eltern noch keinen Gruss bekommen. In einem ganzen Monat nicht ein einziges Wort. Ich weiss nicht, was da los ist und was ich da denken soll. Für ein paar Worte hätte meine Mutter bestimmt Zeit finden können. Mein liebstes Goldschätzchen, kannst Du mir das Schweigen vielleicht erklären? Haben sie denn etwas gegen mich, ha­ben sie vielleicht gemerkt, dass ich mich kaufen liess? Ich bitte Dich von ganzem Herzen, sei ehrlich zu mir, ob sie zu Dir schon irgend eine Bemerkung gemacht ha­ben. etwas muss ja schliesslich der Grund sein für das Schweigen. Du brauchst aber keine Sorge zu haben, dass ich mich deshalb aufregen werde, oder jemals die­sen Schritt bereuen werde. Nein, denn ich bin wirklich und wahrhaftig froh und glücklich, dass alles endlich so weit gekommen ist.
Meine über alles geliebte süsse gute Frau, nun will ich für heute Schluss ma­chen u. hoffe, dass ich Dir recht bald wieder schreiben kann. Mit vielen tausend herzlichsten Grüssen und innigsten Küssen verbleibe ich in ewig treuer Liebe nur
Dein Lothar
Behüt Dich Gott mein liebster Schatz!

297.
Lettland, 21. Juli 1944
Freitag 1/2 11 Uhr
Mein herzallerliebstes Goldschätzchen!
Heute, nach 12 Tagen ist es mir nun endlich mal möglich, Dir wieder einen kleinen Brief zu schreiben. Zuerst einmal meinen allerherzlichsten Dank für Deine liebste Briefe die ich inzwischen erhalten habe., sowie auch für die Zeitungen. Ach mein über alles geliebtes süsses Fraule, ich habe ja nun so viel mit dem Schreiben nachzuholen. Ich werde nun mal da anfangen, wo ich mit dem letzten Brief aufge­hört habe. Will versuchen, dass ich Dir erzähle, was wir in dieser Zeit alles gemacht haben.
Das beginnt nun mit dem 10. Juli. An diesem Tag kam ich morgens um 8 Uhr zum Batallion als Führer-Reserve. Meine Aufgabe war dann dort, einen Verbin­dungs.- und Ordonnanzoffizier zu machen. Abends um 9 Uhr begann dann ein Marsch, der bis jetzt etwa auf 300 Km angestiegen ist. Wir bekamen den Befehl, uns auf neuer Stellungen abzusetzen. In dieser Zeit war nun natürlich allerhand los. Wir waren dauernd entweder auf dem Marsch, oder im Kampf und da war es mir tatsächlich unmöglich auch nur das kleinste Briefchen zu schreiben. Zweimal hatte ich ja angefangen zu schreiben, aber ich musste immer wieder aufhören. Das ging nun so Tag für Tag. Morgens griff meistens der Russe an u. bis zum Abend hatte er dann immer so viele Verluste, dass er nicht mehr konnte. Dann machten wir uns wieder auf die Beine u. ab ging es, gen Westen. Ich habe nun bis zum 15 Juli Or­donnanzoffizier gemacht. Meine Hauptaufgabe war immer, für die Verbindungen und Anschlüsse an unsere rechten u. linken Nachbarn herzustellen. Da ging es im­mer hin u. her. Die beiden letzten Tage, am 14. und 15. Juli, war ich für den Nach­schub an Munition Waffen u. Verpflegung verantwortlich. Da war ich weiter hinten beim Regiment.
Am 16. Juli ging ich dann wieder zu meiner Kompanie und übernahm wieder meinen Zug. Nun kamen noch einige schwere Tage. Der Russe hatte sehr stark an­gegriffen u. wir hatten einen harten Stand. Es gelang uns aber immer noch, ihn ab­zuweisen und mit Gottes Hilfe und Gnade bin ich gesund und munter aus all die­sen Kämpfen herausgekommen. Klein ist das Häufchen meines Zuges geworden, aber trotz allem hielten meine Leute zäh und verbissen Stand. Am 19. Juli abends um 11 Uhr fuhr ich dann von der Kompanie weg zum Tross. Ich habe mir den Fuss übertreten und da ich vorne nicht mehr unbedingt gebraucht werde, hat mich mein Chef u. der Arzt zum Tross geschickt. Da werde ich mich erst mal wieder ein wenig erholen und dann werden wir ja weiter sehen.
Mein liebstes Goldschätzchen, diese Tage werden für mich unvergesslich blei­ben. Der Himmel u. Horizont zeigten in weitestem Umkreis das Bild von restloser Zerstörung. Aber auch fast gar nichts viel dem Russen in die Hand. Jedes Dorf, je­des Haus, alles stand in Flammen. Des Nachts war der Himmel vom Feuerschein überall rot u. am Tage vor lauter Rauch und Qualm verdunkelt. Jede Brücke wurde gesprengt. Die Strassen zeigten überall riesige Sprengladungen, die Löcher rissen, dass man ganze Häuser reinstellen konnte. Dadurch kam der Russe natürlich mit seinen schweren Waffen nur sehr langsam nach u. das bekamen wir auch in star­kem Masse zu spüren. Er griff immer nur mit Infanterie, ganz selten mit einigen Panzern u. kaum mit Artillerie an. Die Infantrieangriffe konnten wir ja alle glatt ab­schlagen. Na, nun habe ich aber davor mal ein paar Tagr Ruhe und diese Zeit wer­de ich auch gut ausnützen. Mein liebstes Goldschätzchen, meine Briefe die ich Dir am 8. und 9. Juli geschrieben habe, sind leider immer noch hier. Es geht zur Zeit keine Post weg von hier. Das ist aber egal, dann bekommst Du dafür später einige Briefe auf einmal.
Mein liebes süsses goldiges Fraule, nun will ich Dir weiter schreiben. Es gab ge­rade eine kleine Unterbrechung. Ich habe mit unserem Küchenbullen einen klei­nen Spähtrupp gemacht und als Erfolg brachten wir ein etwa 2-3 Zentner schweres Schwein mit. Das haben wir gleich geschlachtet und nun gibt es morgen einen an­ständigen Schweinebraten. Die Rede vom Führer habe ich auch gehört. Das ist ja eine tolle Schweinerei, die da wieder im Gange war. Ein Glück, dass unserem Füh­rer dabei nichts ernstliches passiert ist. Aber immer nur den Kopf hoch, wir werden es schon schaffen. Es dauert nun bestimmt nicht mehr sehr lange, dann werden wir doch als endgültige und alleinige Sieger aus diesem Kampf hervorgehen. Wir müssen nur diese letzte Belastungsprobe voll gut überstehen.
Mein herzallerliebstes Goldschätzchen, nun will ich aber damit aufhören und endlich zu Deinen lieben Briefen kommen. Sonst wird es Dir noch langweilig, wenn ich von diesem Kram zu viel schreibe. Ach, ich habe Dir ja auch noch so viel anders zu sagen, dass ich am besten mal zu Dir kommen müsste, um mich über all das persönlich mit Dir zu unterhalten. Hoffentlich haben wir recht bald das Glück, und dürfen mal wieder gesund und munter beisammen sein. Ich habe ja ein so grosses Verlangen nach Deinem liebsten süssen Mund, den ich so gerne mal wie­der küssen möchte.
Meine über alles geliebte gute süsse Frau, ich habe nun inzwischen 4 Briefe von Dir erhalten, aber leider kann ich nur noch 3 beantworten. Ich hatte nämlich vorgestern meine ganze Brieftasche verloren, habe sie auch wieder gefunden, aber leider ist dabei Dein Brief herausgefallen. Nun daran lässt sich leider nichts mehr ändern. So will ich nun mal zuerst zu Deinem liebsten Brief vom 2. Juli kommen. Ach was musste ich da schon am Briefstempel sehen? Du bist also glücklich wieder zu Hause. Das freut mich ja sehr, und ich wünsche nur von ganzem Herzen, dass Du gleich dort bleiben darfst. Hoffentlich klappt das. Das wäre doch fein wenn ich wüsste, dass Du vor den Fliegern für immer sicher bist, denn dahin kommen sie doch bestimmt nicht. Ach mein goldiger Liebling, es ist ja zu schön, dass Du noch sozusagen Urlaub hast. Warum darf ich denn nur jetzt nicht bei Dir sein? Es wäre ja so schön, wenn wir zusammen voller Glück diese Tage hätten verbringen können. Wenn ich mir den Spaziergang zum Gobs vorstelle, so glücklich an Deiner Seite, mit so verschiedenen lieben Küsschen dazwischen, dann halte ich es vor Sehn­sucht kaum mehr aus. Ach und dann mal wieder ein gutes Eis essen! Na, die Hauptsache ist, dass es Dir gut geschmeckt hat und dass es Dir eben so gut bekom­men ist.
Sag mal mein liebes süsses goldiges Frauchen, warst Du eigentlich inzwischen wie­der beim Arzt? Ach es tut mir ja so leid, dass ich in dieser Zeit nicht bei Dir sein darf. Ich glaube ja gerne was Du schreibst, aber es ist halt doch so ein Gefühl in mir, das ich nicht so richtig beschreiben kann. Na, es ist ja doch auch ein grosses Ereignis und da möchte ich halt am liebsten immer nur bei Dir sein. Na aber hof­fentlich kommt recht bald diese Zeit, wo wir für immer beisammen bleiben dürfen.
Mein liebstes Goldschätzchen, hoffentlich schmeckt Dir nun das Essen wieder und Du kannst wieder mehr vertragen, sonst muss ich ja direkt Urlaub einreichen, um mal selbst nach Dir zu sehen. Mein liebstes Fraule, mach Dir mal darum keine Gedanken, wenn Du mir nichts schicken kannst. Das ist zur Zeit ja gar nicht nötig. Wir bekommen so viel Grosskampf-Verpflegung und da sind viel Süssigkeiten drin. Sonst organisieren wir Eier, Butter, Milch, Hühner, Kühe, Kälber, Schweine, Läm­mer u. alles was es so gibt. Dem Russen können wir das nicht in die Hände fallen lassen und die Zivilisten geben es gerne her, da sie es ja doch nicht alles mitneh­men können.
Recht herzlichen Dank auch für die lieben Grüsse von Vater u. den Müttern. Ja, das ist nicht schlimm, dass Vater nicht selbst schreibt. Das bin ich ja von meinem alten Herrn schon gewöhnt. Er schreibt mir ja auch fast nie. So einmal im Jahre vielleicht ein paar Worte ganz unten am Rande eines Briefes von Mutter.
So, nun kommt dein lieber Brief vom 5. Juli an die Reihe. Ach mein liebstes Goldschätzchen, das ist ja schlimm mit Dir, wenn Du dauernd so viel brechen musst. Was machen wir da nur? Ob es nicht doch besser wäre, wenn ich bei Dir wäre? Na ich hoffe u. wünsche ja von ganzem Herzen, dass Frau Dossmann Ein­sicht hat u. Mutter etwas erreicht hat. Stimmt das denn auch, dass es Dir wieder ganz wohl ist u. dass Du ganz munter bist? Ob das nicht nur so vorübergehend war? Ach ja, mein Liebling, ich habe ja auch so eine grosse Sehnsucht nach Dir und wäre überglücklich wenn ich mal wieder ein klein wenig bei Dir sein könnte.
Mein liebstes Frauchen, es freut mich sehr, dass Toni noch an seinem alten Platz ist. Hoffentlich ist er nicht mit bei den schweren Kämpfen, die dort sind. Dass das Wetter bei Euch nicht schön ist, das ist ja weniger erfreulich. Wir haben hier immer ein herrliches Wetter. Sonnenschein von morgens bis abends. Da ist in letz­ter Zeit der Schweiss in Strömen geflossen. Wie ist es eigentlich mit Mutter, muss sie nun zur Arbeit gehen? Da wird sie ja zu Hause kaum mehr fertig mit der vielen Arbeit mit den vielen Viechern. Mit dem Urlaub wird es wohl so lange aus sein, bis die Entscheidung gefallen ist. Das dürfte aber nicht mehr allzu lange dauern. Na wir werden ja bald sehen wie die Sache wird. Wir dürfen halt die Geduld nicht ver­lieren. Es geht zur Zeit um alles. Es gibt jetzt nur noch ein "Entweder-Oder"! Ent­weder Sieg um jeden Preis, oder aber Untergang um einen um sehr vieles höheren Preis. Aber wir werden es schaffen. Es kann und darf ja gar nicht anders kommen. Wir dürfen jetzt den Glauben und die Hoffnung nicht verlieren. Genau so wie es Gottes Wille war, dass unserem lieben Führer nichts passiert ist, so ist es auch be­stimmt sein Wille, dass Deutschland in diesem Ringen Sieger bleibt. Ist das denn nicht der beste Beweis, dass die Sache des Führers richtig ist u. damit auch der Kampf unseres Volkes? Allerdings legt er uns damit auch eine schwere Prüfung auf. Aber das deutsche Volk wird sie bestehen u. gläubiger denn je aus diesem Kampf hervorgehen.
Und nun mein liebes Goldschätzchen, will ich für heute schliessen. Ich werde Dir Deinen anderen Brief morgen früh beantworten. Sei nun für heute von ganzem Herzen viel tausend Mal von ganzem Herzen recht lieb gegrüsst und innigst ge­küsst
von Dein ewig treuem
Gatten
Auf baldiges und gesundes Wiedersehen!
Behüt Dich Gott meine liebste Frau!
Anbei noch 20 Luftpostmarken u. 1 Päckchenmarke

298. (GESCHRIEBEN MIT ROTEM GRÜNEM UND BLAUEM FARBSTIFT)
Lettland, Samstag den 22. Juli 1944
15:30 Uhr
Meine herzallerliebste Frau!
Nun ist wieder bald ein Tag zu Ende und ich will Dir noch Deinen so lieben und auch so sorgenvollen Brief vom 6.7. beantworten. Ja mein geliebtes Gold­schätzchen, was hattest Du da nur für eine schwere Nacht? Das muss ja schlimm gewesen sein. Aber mein goldiger Liebling, sei beruhigt, es war da gar nichts be­sonderes. Ich habe noch in meinem Tagebuch nachgesehen, aber da stand: "alles ruhig!" Und so geht es mir auch heute noch sehr gut. Bin immer gesund und mun­ter. Mein Fuss hat sich auch schon wieder sehr gut gemacht. Ich kann wieder ganz gut gehen. Da mein Battallion nun in Ruhe liegt, bin ich heute wieder zu meiner Kompanie gegangen. Wir liegen in einem sehr schönen Barackenlager im Walde, etwa 20 Km hinter der Front. Hier lässt es sich ganz gut leben. Heute Vormittag habe ich mir einen prima Schweinebraten gemacht.
Mein liebstes Goldschätzchen, Du wirst ja staunen über diesen komischen und bunten Brief. Ich habe aber gerade nur dieses Blei zur Hand. Na ja, aber rot ist ja die Liebe u. grün ist die Hoffnung. Nun muss nur noch die Treue kommen. Das wäre dann also blau. Na mal sehen, wie weit diese Miene reicht, dann setzte ich noch eine blaue ein. Da hast Du dann wenigstens eine Abwechslung, oder Du denkst, der hat ja wohl einen Stich. Das könnte ja auch sein, bei dieser Hitze. Ich fühle mich aber immerhin auch geistig ganz munter.
Mein über alles geliebtes süsses Goldschätzchen, nun will ich nochmals zu Deinem Traum zurückkommen. Das kann ja auch eine Vorahnung gewesen sein, denn einige Tage später fing es ja an, dass wir dem Russen ein Schnippchen ge­schlagen haben und ihm einfach davon liefen. Da kam es allerdings auch ein paar mal so weit, dass er hinter uns her war und uns fangen wollte, was ihm aber nie ge­lungen ist. Ja mein herzallerliebstes goldiges Frauchen, ich habe aber auch nicht vergessen, unseren lieben Gott in meinen Gebeten um Schutz zu bitten und ich habe dabei auch immer an Dich gedacht. Es hat sich ja nun gezeigt, dass es bisher nicht umsonst war. Ich hatte bestimmt öfters grosses Glück, dass ich immer wieder mit heilen Knochen davon kam und das doch nur mit Gottes Hilfe. Ach mein über alles geliebtes Fraule ich bin ja so froh und glücklich, dass ich durch Dich den Weg zu so einem guten u. wahrhaft glücklich und selig machenden Glauben gefunden habe. Bis jetzt habe ich davon doch nur gutes gehabt.
Und nun mein über alles geliebtes Goldschätzchen, sei für heute viel tausendmal von ganzem Herzen gegrüsst u. innigst geküsst
von Deinem treuen
Lothar
Viele Grüsse an die Eltern!

299.
Lettland, Dienstag den 25. Juli 1944
12:30 Uhr
Mein über alles geliebtes süsses gutes goldiges Fraule!
Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. So ist es immer im Le­ben, vor allem aber bei den Soldaten in Russland. Unsere Ruhe, das heisst, dass wir so weit hinten lagen, war nur von kurzer Dauer. Wir zogen noch am Samstag abend etwa 12 Km weiter. Da lagen wir noch einen Tag zur Sicherung. In der Nacht vom Sonntag auf Montag bezogen wir dann hier diese Stellung. Bis jetzt war es in unse­rem Abschnitt sehr ruhig und wir wollen hoffen, dass es so noch eine Zeit lang bleibt. Mir geht es immer noch sehr gut. Ausser Dir fehlt mir eigentlich nur ein Ur­laubsschein. Die beiden Sachen machen sich aber sehr stark bemerkbar. Ach mein herzallerliebstes Goldschätzchen, ich habe ja so eine riesengrosse Sehnsucht nach Dir. Es ist ja auch schon wieder so lange her seit unserem letzten Wiedersehen! Heute ist es der 48. Tag. Na ja, nun wird ja bald irgendwie die Entscheidung fallen und dann gibt es auch wieder mehr Urlaub. So lange müssen wir halt immer schön geduldig sein. Leicht fällt mir das ja bestimmt nicht, aber Ungeduld macht die Zeit für uns nur noch länger. ...
Bis jetzt nützt das Schreiben noch nicht viel, denn die Post geht immer noch nicht weg. Ach ich kann mir ja so gut vorstellen, wie sich mein liebstes Fraule jetzt wie­der Sorgen um mich macht, wo keine Post von mir an kommt. Und es ist doch gar nicht nötig. Ach wenn Du nur mal sehen würdest, wie gut es mir geht, dann wärst Du doch wieder etwas beruhigt. ...